Wann Microservices?
Die Entscheidung für Microservices sollte auf realen organisatorischen und technischen Constraints basieren – nicht auf Hype oder Technologie-Trends.
Team-Größe als kritischer Faktor
Microservices entfalten ihren Wert ab etwa 10 Entwickler-Teams. Warum? Bei dieser Größe wird Koordination im Monolithen zum Flaschenhals: Merge Conflicts häufen sich, Deployments werden riskant (ein Bug blockiert alle Features), und Teams treten sich gegenseitig auf die Füße. Microservices ermöglichen es jedem Team, unabhängig zu arbeiten – mit eigenem Repository, eigenem Deployment-Zyklus, eigener Technologie-Wahl.
Haben Sie weniger als 5 Entwickler, ist ein Monolith oder Modular Monolith meist die bessere Wahl. Die Overhead-Kosten von Microservices (Monitoring, Distributed Tracing, Service Discovery, API Gateways) rechtfertigen sich einfach nicht. Sie verbringen mehr Zeit mit Infrastruktur als mit Features.
Skalierungsanforderungen differenzieren
Microservices machen Sinn, wenn verschiedene Teile Ihrer Anwendung unterschiedlich skalieren müssen. Beispiel E-Commerce: Ihr Search Service bekommt 10.000 Requests/Minute, während der Checkout Service nur 100 Requests/Minute sieht. In einem Monolithen müssten Sie die gesamte Anwendung für Search skalieren – ineffizient und teuer. Mit Microservices skalieren Sie nur den Search Service horizontal (100 Instanzen), während Checkout in einer einzigen Instanz läuft.
Wenn Ihre Anwendung gleichmäßige Last hat – alle Komponenten werden ähnlich häufig aufgerufen – bringt Microservices-Skalierung keinen Vorteil. Ein Monolith skaliert in diesem Fall genauso gut (horizontal mit Load Balancer).
Tech-Diversity und Team-Autonomie
Microservices erlauben es Teams, die beste Technologie für ihren Use Case zu wählen. Python für Machine Learning im Recommendation Service, Java für transaktionale Zuverlässigkeit im Payment Service, Node.js für Event-Processing im Notification Service. Wenn Sie solche Diversity benötigen – verschiedene Teams mit verschiedenen Technologie-Präferenzen, verschiedene Use Cases mit verschiedenen Anforderungen – sind Microservices sinnvoll.
DevOps-Reife als Vorbedingung
Microservices ohne DevOps-Reife sind ein Rezept für Disaster. Sie benötigen: Container Orchestration (Kubernetes), funktionierende CI/CD Pipelines, Distributed Tracing (Jaeger, Zipkin), Centralized Logging (ELK Stack) und Service Mesh (Istio, Linkerd). Fehlen diese Capabilities, werden Microservices zum Betriebsalbtraum – Deployments schlagen fehl, Debugging ist unmöglich, Performance-Probleme sind nicht nachvollziehbar.
Investieren Sie erst in DevOps-Infrastruktur, dann in Microservices. Haben Sie kein Kubernetes, kein CI/CD und kein Monitoring – bauen Sie keinen Microservices.
Wann API-first?
Die einfache Antwort: Immer. API-first ist keine Architektur-Entscheidung wie Microservices, sondern eine Entwicklungs-Methodik die universell anwendbar ist.
Mehrere Teams = API-first Pflicht
Sobald mehrere Teams zusammenarbeiten – Frontend und Backend, verschiedene Backend-Teams, externe Partner – wird API-first kritisch. Ohne formalen API Contract verbringen Teams Wochen mit Integration-Debugging. "Wir dachten, ihr schickt ein Array, ihr schickt ein Object." "Wir nutzen ISO-8601 für Timestamps, ihr nutzt Unix Epoch." "Eure Error Responses haben kein Error-Code-Feld."
API-first eliminiert diese Probleme durch einen upfront definierten Contract. Alle Teams entwickeln gegen dieselbe OpenAPI Spec. Missverständnisse werden im Design-Meeting geklärt, nicht nach Wochen Implementierung.
Externe APIs = API-first non-negotiable
Wenn Sie APIs extern exponieren – für Partner, Third-Party Developer oder öffentliche Consumption – ist API-first non-negotiable. Externe Developer haben keine Möglichkeit, Ihren Code zu debuggen oder Sie zu fragen "wie funktioniert das Feld?". Sie brauchen perfekte Dokumentation, interaktive Examples und klare Error-Messages.
OpenAPI-generierte Dokumentation (Redoc, Swagger UI) liefert das out-of-the-box. Developer können APIs direkt in der Dokumentation testen, sehen Request/Response-Beispiele und verstehen Error-Cases – ohne eine Zeile Code zu schreiben.
Qualität und Developer Experience
Selbst ein Solo-Developer, der einen Monolithen baut, profitiert von API-first. Warum? Weil OpenAPI Specs automatisch Mock Server generieren (Prism), automatisch Client Libraries generieren (OpenAPI Generator) und automatisch Tests generieren (Postman Collections aus OpenAPI). Sie schreiben einmal die Spec, und bekommen 5 Tools gratis.
API-first ist universell anwendbar – es gibt kaum einen Use Case, wo es nicht hilfreich wäre. Die Frage ist nicht "Soll ich API-first nutzen?", sondern "Warum nutze ich es noch nicht?"
Die Matrix: Kombinationen
Verschiedene Kombinationen von Architektur und Methodik haben verschiedene Trade-offs.
Monolith + Code-first ist der traditionelle Ansatz. Backend-Entwickler schreiben Code mit Annotations, Tools generieren Swagger-Dokumentation. Es funktioniert – aber langsam. Frontend-Teams müssen warten, bis Backend fertig ist. Integration-Tests scheitern, weil Dokumentation unvollständig ist. Breaking Changes passieren unbemerkt. Diese Kombination ist ineffizient und fehleranfällig.
Monolith + API-first ist optimal für kleinere Teams (5-20 Entwickler). Sie bekommen alle Vorteile von API-first – Contract-First Development, Mock Server, automatische Dokumentation – ohne die Komplexität von Microservices. Frontend und Backend entwickeln parallel gegen OpenAPI Specs. Integration funktioniert. Breaking Changes werden früh erkannt. Die Architektur bleibt einfach (eine Datenbank, ein Deployment), aber die API-Qualität ist exzellent.
Microservices + Code-first ist Chaos in Aktion. Jedes Team baut seine Services mit eigenen Konventionen. Ein Service nutzt REST, ein anderer gRPC. Ein Service versioniert mit /v1/
, ein anderer mit Headers. Breaking Changes ohne Warnung. Integration-Debugging wird zum Full-Time-Job. Dokumentation existiert nur in Slack-Messages. Vermeiden Sie diese Kombination.
Microservices + API-first ist Best Practice für Enterprise. Sie kombinieren die Vorteile beider Welten: Skalierung und Team-Autonomie (Microservices) + Konsistenz und Qualität (API-first). Jeder Service definiert seine API als OpenAPI Spec. Design Guidelines werden enforced (Spectral). Contract Tests sichern Kompatibilität (Pact). Teams entwickeln parallel gegen Mocks. Integration funktioniert. Das ist die Kombination, die DACH-Unternehmen im Banking und Insurance nutzen.